Re: mit dem Rad zum Schwarzen Meer

Posted by: oktopus

Re: mit dem Rad zum Schwarzen Meer - 10/07/16 12:53 PM

Tag 32 – 23. September 2016 (Sulina bis Sfantu Gheorghe):
Ich war nervös! Um 4 Uhr lag ich schon wach und grübelte über die bevorstehende Fahrt. Komme ich überhaupt durch? Schwappt mich das Wasser ins Meer? Ich kannte Beschreibungen der Strecke: SEHR mühsam zu befahren, es kommen 2 Furten. Ist der Wasserstand im Delta hoch, dann steht in den beiden Furten das Wasser. Das kann bis zu hüfthoch sein. Und dann besteht die Gefahr von Strömungen .....

Die Strecke hatte ich mir mit Openstreetmap und Google Earth erstellt und auf's Navi übertragen. Screenshots aus Google Earth hatte ich mir ausgedruckt, da es kein Kartenmaterial dazu gibt.

Ich saß schon um 7 Uhr beim Frühstück. Um 8 Uhr 15 startete ich. Kurz vor dem Strand geht's in die DC5. An einem militärischen Gebäude vorbei, über eine Brücke und dann nach rechts. Ab da fuhr ich die ganze Zeit einen Kanal entlang auf einer steinigen Schotterstraße. Als Orientierung hatte ich nach einer Linkskurve noch zusätzlich die Strommasten.





Und dann sah ich sie auch schon: Kormorane! Ich sah immer und immer wieder Kormorane. Sie flogen über mich hinweg, sie waren am Wasser. Ich staunte nur so!

Die erste Furt:



Stimmt schon, es geht bergab und weiter vorne wieder bergauf. Wenn der Wasserstand höher wäre, würde sich die Furt mit Wasser füllen.

Am tiefsten Punkt der Furt:



Aber ich hatte nichts! Kein Wasser, kein Hindernis schmunzel Ein paar km später kam die zweite Furt, die ähnlich aussah.

Kurz nach der ersten Furt blieb ein Auto stehen, als ich gerade Pause machte. Der Fahrer fragte mich, ob ich Probleme habe? - Nein, alles bestens. Nur trinken! - Sfantu Gheorghe? - Ja! - Dann fragte er mich mit Händen und Füßen, ob er mich mit dem Auto mitnehmen soll! - NEIN! Ich fahr doch mit dem Rad :-) Ich bedankte mich, und er fuhr weiter. Wahnsinn, wie hilfsbereit doch die Leute hier sind!

Ich kam an Seen vorbei, linkerhand genauso wie rechterhand.

Recycling auf Rumänisch:





Wenn man genau schaut, kann man hier einen Kormoran erkennen! Rechts im Bild, links vom Gebüsch im Vordergrund. Er war gerade aus dem Wasser gestartet.



Ich hab so viele gesehen, aber bis ich das Handy zum Fotografieren in der Hand hatte, waren sie schon weg.

Irgendwann sah ich 2 Radfahrer vor mir, und als ich näher kam, erkannte ich sie auch schon: die Allgäuer! Die hatten auch die Idee, mit dem Rad nach Sfantu Gheorghe zu fahren.

Der Weg wurde nach ca. 25 km zunehmend holpriger, danach kam der Sand. Immer mehr feiner Sand, dafür kaum noch Steine, so dass das Fahren kaum noch möglich war. Wenn in der Mitte oder am Rand Grasflächen waren, konnte man noch fahren, ansonsten musste ich schieben.





Sfantu Gheorghe in Sicht:



Und jetzt wurde es spannend. Meine Straße ging in einen Pfad über, teilte sich. Der linke Teil stimmte noch mit meinem Navi überein, allerdings sollte ich vor einem Kanal rechts abbiegen. Das war ein Damm ohne Weg. Allso nicht brauchbar. Geradeaus war auf meinem Navi nichts, ich hatte aber eine Spur vor mir. Was jetzt? Die Spur weiterfahren. Die Spur verzweigte sich noch einmal. Und jetzt? Jetzt stimmte gar nichts mehr mit meinem Navi überein ... Der auf meinem Navi eingezeichnete Pfad zeigte in einen See. Oder war das nur eine Pfütze? Seepfütze? Pfützensee? Straße mit Pfützensee? Ich fuhr lieber links herum durch die Wiese. Das erschien mir sicherer. Da drüben waren Häuser, da musste ich hin. Aber nicht nur die Häuser waren relevant, sondern auch der rechte Donauarm "Bratul Sfantu Gheorghe" und somit laut Navi die einzige Hauptstraße von Sfantu Gheorghe. Also Himmelsrichtungen anpeilen. Vielleicht funktionierte das besser? Den Pfad - dann den anderen Pfad - Wiese - Gatsch - kleine Seepfütze - nochmal Wiese ...





Aaaaaaaaaaaaaaah, da war ein 50 cm breiter Betonweg. Woher kommt der auf einmal? Rauf auf den Betonweg neben dem See. Betonweg neben der Seepfütze? Oder? Das könnte eine Straße mit Betonrand sein? Nein, das war eine Straße mit einem Gehsteig! Ich fuhr auf dem Gehsteig einer Straße, die man wegen der Pfützen schwer erkennen konnte. Uff... aber da blieb ich. Die Pfützen waren auch stellenweise kleiner oder verschwanden wieder.



Wie es aussah, hat Sfantu Gheorghe nur Sandstraßen und keine asphaltierten Straßen. Und wie es aussah, hatte es hier recht heftig geregnet. Auch gut. Hauptsache ich peilte die Haupstraße (Uferpromenade) am "Bratul Sfantu Gheorghe" an, die sah laut Navi nach einer Asphaltstraße aus. Und dann erreichte ich tatsächlich die Hauptstraße (Uferpromenade):



Ah ja ... Keine einzige Asphaltstraße in ganz Sfantu Gheorghe! Hier gibt es NUR Sandstraßen. Und wenn es einmal einige Tage regnet, stehen die unter Wasser.

Bevor ich meine Pension suchte, musste ich natürlich noch zum Strand fahren. Eh klar. Ich wollte doch auch hier das Schwarze Meer sehen. Somit fuhr ich die Uferpromenade stadtauswärts bis zum Ende, bog in einen Pfad ein und schob und schob und schob und schob mein Rad bis zum Strand, dann schob ich es noch auf dem Strand, bis ich nur noch millimeterweise vom Fleck kam. Dann legte ich das Rad in den Sand und stapfte ohne Rad zum Wasser. Das war in Sulina einfacher und kürzer!



Dann das Ganze wieder zurück. Und da ich anscheinend noch immer nicht genug vom Schieben hatte, musste es auch noch der Pfad zur Mündung sein. Ein Gatsch-Pfützen-Pfad, in dem ich bis zu den Knöcheln versank. Meine Schuhe musste ich daher nachher komplett waschen! Ich hoffe, sie trocknen bis morgen.

Blick auf die Mündung:



Näher kam man von hier aus leider nicht an die Mündung, da hier dichter Urwald ist. Ich könnte mir höchstens vorstellen, dass man den Strand entlang bis zur Mündung gehen kann.

Dann schob und fuhr ich wieder zurück zur Uferpromenade, suchte meine Pension, ging Mittagessen im Restaurant der Pension und spazierte durch die Ortschaft.

Die kleineren Straßen haben nur einen Betongehsteig,



während die größeren Straßen gleich Betongehsteige auf beiden Seiten haben! Nobel, nobel!



Impressionen aus Sfantu Gheorghe:









Ich bin froh, dass ich diese Fahrt gemacht habe. Sie hat sich echt gelohnt! Die Straße der Kormorane hat mir wieder schöne Einblicke in die Natur gegeben, und ich konnte Vögel beobachten. In Sfantu Gheorghe hab ich mehr schöne Häuser gesehen als in Sulina! Natürlich sind auch desolate Häuser dabei wie überall auf meiner Tour durch Rumänien. Dass es NUR Sandstraßen und keine einzige Asphaltstraße gibt, ist für einen Ort am Donaudelta erstaunlich. Immerhin gibt es hier ein 4 Sterne-Resort, einige Pensionen, Restaurants (!), und es werden Bootstouren ins Donaudelta angeboten. Der Tourismus gehört abgesehen von der Fischerei zu den Haupteinnahmequellen. Aber ich hab auf meiner Radtour schon ein paarmal gestaunt. Es ist nicht das erste Mal.

Gesamtstrecke 39,71 km

Tag 33 – 24. September 2016 (Sfantu Gheorghe-Tulcea mit der Fähre):
Heute musste ich FRÜH aufstehen! Die Fähre nach Tulcea geht um 7 Uhr in der Früh! Eine sehr unchristliche Zeit. Ich bestellte in der Pension das Frühstück für 6 Uhr. Das klappte natürlich nicht, der Kellner hatte verschlafen. Somit trank ich nur Kaffee und packte mein Frühstück fürs Schiff ein.

Der offizielle Nullpunkt der Kilometrierung der Donau ist wie schon erwähnt am Sulinaarm. Dieser ist zu einem großen Teil begradigt und nach dem Kilometer 0 künstlich verlängert. Der natürlichere Mündungsarm der Donau ist aber eindeutig der Sfantu Gheorghe-Arm oder "Bratul Sfantu Gheorghe". Er ist länger, macht einige Windungen und hat naturbelassene Ufer.







Die Allgäuer waren ebenfalls an Bord, stiegen aber in Mahmudia aus, um dort noch ein oder zwei Tage zu verbringen. In Sfantu Gheorghe hatten sie die letzte Nacht im Zelt am Ortsrand verbracht. Ich bin gespannt, ob ich sie auf dem Weg nach Constanta noch einmal treffen werde.

Ich stieg nach einer Fahrzeit von 5 1/2 Stunden in Tulcea aus und suchte mein Hotel in Hafennähe auf. Nachdem ich meine Packtaschen im Zimmer deponiert hatte, fuhr ich zu einer Tankstelle, um mein Fahrrad mit einem Wasserschlauch abzuduschen! Das war nach der gestrigen Fahrt ziemlich eingegatscht. Nachdem die Kette und die Kettenkränze einigermaßen sauber waren, packte ich noch mein Kettenöl aus, um meine Kette zu pflegen :-) Die Schleifgeräusche beim Fahren waren schon ziemlich penetrant. Den Reifendruck hinten ergänzte ich auch noch ein bissl. Somit ist mein Fahrrad wieder tiptop in Ordnung. Zumindest einigermaßen. Meine Packtaschen spülte ich unter der Dusche ab, bevor ich sie öffnete. Auch da klebte der Gatsch, und die Grundfarbe war nicht mehr erkennbar.

Tag 34 – 25. September 2016 (Tulcea):
PAUSE in Tulcea
Wie erwartet: REGEN - REGEN - REGEN...

Da ich immer noch leicht vergrippt war, rüstete ich mich mit 40 Packungen Taschentüchern, Aspirin C Brause, Halswehlutschtabletten und Tee mit Honig und beschäftigte mich mit Bürokratie. Ich hatte mich bisher nicht um meine Rückfahrt nach Wien gekümmert, weil es schwierig war, vor dem 23. August (dem Tag meiner Abfahrt) bereits den Tag der Rückfahrt zu wissen und zu buchen. Mittlerweile sah die Sache aber anders aus. Meine Rückfahrt war absehbar geworden.

Mir fehlten noch 2 Fahrradtage. Der EuroVelo 6 verläuft von Tuttlingen bis Tulcea entlang der Donau und ist in dem Bereich somit identisch mit dem Donauradweg (sofern der Begriff "Radweg" überhaupt passend ist :-)). Danach verläuft er entlang des südlichen Rands des Donaudeltas und entlang der Schwarzmeerküste bis Constanta. In Constanta endet der EuroVelo 6. Diesen Teil wollte ich noch mit dem Fahrrad fahren. Das ist eine Strecke von ca. 191 km, somit 2 Tage.

Somit buchte ich die Quartiere für das morgige Etappenziel und für Constanta. Das Hotel in Constanta war praktischerweise in Bahnhofsnähe :-)

Und dann setzte ich mich (wie ich es vor meiner Tour bereits gemacht hatte) noch einmal mit den Zugsverbindungen auseinander. Buchen ging allerdings erst in Constanta. In Tulcea geht gar nichts.

Der Zug von Constanta nach Bukarest:
Idealerweise steig ich um 8 Uhr 40 in den Zug ein. Sollte der Zug keine gröberen Verspätungen haben, kann ich bequem meinen Anschlusszug nach Wien-Hbf erreichen (die einzige Direktverbindung von Bukarest nach Wien):

Die Wetterprognosen für morgen sagten Sonnenschein, somit konnte ich mich morgen wieder auf's Fahrrad setzen.

to be continued ...