Re: mit dem Rad zum Schwarzen Meer

Posted by: oktopus

Re: mit dem Rad zum Schwarzen Meer - 10/07/16 01:13 PM

Tag 37+38 – 28./29. September 2016 (Rückfahrt von Constanta nach Wien mit der Bahn):
Eine Stunde vor Abfahrt des Zuges stand ich bereits am Gleis 1 am Bahnhof von Constanta und wartete auf meinen Inlandszug nach Bucuresti Nord.







Das Fahrrad musste ich nicht anmelden, da "folding bikes" als Gepäckstück zählen. Auf die Minute genau um 8 Uhr 40 fuhr mein Zug los. Ich fuhr eine ganz andere Strecke, als ich mit dem Rad gefahren war. Nur in Cernavoda kreuzte der Zug meine Radstrecke. Hier überquerte ich mit dem Zug noch ein zweites Mal den Donau-Schwarzmeer-Kanal.



In Bukarest hatte ich 2 1/2 Stunden Wartezeit, bis mein Zug (der sogenannte Dacia Express) nach Wien einfuhr.



Mein Fahrrad passte locker in mein Abteil, die Packtaschen hatten unter dem Bett Platz, der gelbe Packsack und die Lenkertasche legte ich auf die Gepäckablage.

Nachdem alles verstaut war, setzte ich mich ans Fenster und ließ Rumänien an mir vorüberziehen. Es war schon ein komisches Gefühl, nach so einer langen Tour nun auf dem Heimweg zu sein.





Bald ging die Sonne unter, und ich konnte noch einen sehr schönen Sonnenuntergang bewundern.

Ausgerechnet jetzt googlete ich ein wenig über den Dacia Express von Wien nach Bukarest bzw. zurück. In einem Artikel aus dem Jahr 2010 stand, dass man die Abteile verbarrikadieren sollte, da dieser Zug nachts immer wieder überfallen wird. Diebe schmuggeln sich als Passagiere in den Zug, um Schlafwagenabteile aufzubrechen. Die Gleise sind abschnittsweise sehr schlecht, so dass der Zug immer wieder anhalten muss oder sehr langsam fährt. Diese Gelegenheiten nutzen die Diebe. Ist 2010 doch schon so lange her? Ich hab von alledem nichts bemerkt.

Die Ankunft in Wien war genauso pünktlich wie die Abfahrt in Bukarest. Um 9 Uhr war ich daheim.

Wenn man die Fahrt vom Bahnhof nach Hause noch mitrechnet, bin ich insgesamt 2455 km gefahren.

Nach einem Ströck-Frühstück gemeinsam mit Alena setzte ich mich ins Auto und fuhr nach Komarno! 1 1/2 Stunden Fahrzeit bis zur Polizei, 3 Stunden Wartezeit ...

UND:

Nach vielen Diskussionen mit vielen verschiedenen Polizisten erhielt ich schließlich eine Anzeigebestätigung auf Slowakisch mit Stempel und Unterschrift vom Kommandanten der Polizei. Ich hab zwar keine Ahnung, was drinsteht, aber ich hab sie unterschrieben, damit mir mein Handy ausgehändigt wird!

Ich hab mein Handy wieder!!!


Ein kurzes Resumée:

Es war eine ganz außergewöhnliche und eine ganz tolle Radtour. Ein Erlebnis oder besser gesagt eine Vielzahl an Erlebnissen, die ich kaum in Worte fassen kann. Die Tour war interessant, spannend, sehr abenteuerlich, strapaziös und anstrengend. Und man muss schon sehr zäh sein, um sie bis zum Ziel durchzuziehen! Aber all diese Strapazen, Erlebnisse und auch Pannen, die ich auf mich genommen bzw. in Kauf genommen hatte, haben sich gelohnt. Ich habe wunderschöne Landschaften gesehen, die ich so nah weder mit dem Auto noch mit einer Reisegruppe je erlebt und gesehen hätte. Ich habe Tiere beobachtet. Ich habe ärmliche Gegenden gesehen, die mich berührt und auch vor den Kopf gestoßen haben. Aber ich habe auch eine Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft erfahren, mit der ich nie gerechnet hätte. Ich habe Eindrücke gewonnen, die ich nicht vergessen werde. Ich habe viel erlebt. Auch Pannen waren dabei. Der Handyverlust wäre vermeidbar gewesen. Mit Reifenpannen und Defekten an der Ausrüstung rechnet man, wenn man auf holprigen Wegen unterwegs ist. Dazu muss man gerüstet sein und wissen, wie man sich helfen kann. Ich habe Gleichgesinnte getroffen, mit denen ich unterhaltsame und lustige Stunden verbracht habe. Ich bin nicht die einzige, die sich so etwas in den Kopf setzt :-)

Natürlich war diese Tour auch eine sportliche Herausforderung für mich. Ich habe mir meine Erlebnisse und meine Eindrücke hart erarbeitet bzw. erradelt.

Alles in allem war nicht nur das Ziel Donaudelta das Ziel, sondern der gesamte Weg war das Ziel!

Wenn ich meine Informationen aus meiner Vorbereitung noch einmal überfliege:
Ich wurde davor gewarnt, durch ehemalige Ostblockländer zu fahren. Vor allem vor Rumänien wurde ich gewarnt. Dazu muss ich sagen, ich habe mich an keinem einzigen Tag, in keiner einzigen Region, in keiner einzigen auch noch so spärlich besiedelten Gegend (und ich war wirklich da, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen!) auch nur im mindesten unsicher oder in Gefahr gefühlt. Im Gegenteil. Ich wurde mit Mineralwasser, mit Obst beschenkt, und das von Menschen, die selbst NICHTS haben. Mir wurden Wege erklärt, wenn ich anhand meiner Navigation unsicher war. Und sogar mein von mir selbst verlorenes Handy wurde aufgehoben und zur Polizei getragen!

Vor den wild streunenden Hunden hatte ich mich gefürchtet, weil sie Vorbeifahrende angreifen. Ich wurde mehrmals von Hunden angesprungen. Aber entweder konnte ich ihnen davonfahren, oder mein schrilles Hupen hat ausgereicht. Einige Male haben Einheimische den oder die Hunde verjagt, die mich anspringen wollten. Pfefferspray habe ich nie eingesetzt. Und erst kürzlich habe ich von zwei verschiedenen Seiten gehört, dass man mit dem Wegfahren nur den Jagdinstinkt der Hunde weckt und dass es viel sinnvoller ist, langsamer zu werden oder stehen zu bleiben. Ich habe es gestern und heute ausprobiert. Ich bin zwar nie stehen geblieben, aber ich bin ganz langsam geworden, wenn ein Hund auf mich losgegangen ist. NICHTS! Sie verdrollen sich, wenn man langsam wird. Es hat gestimmt!

Die Quartiere waren alle ohne Ausnahme überraschend sauber und akzeptabel bzw. gut! Ich hatte mit viel schlimmeren Unterkünften gerechnet. Die meisten Unterkünfte fand ich mit booking.com. 4 Mal musste ich vor Ort suchen und wurde rasch fündig.

Diese Tour wird mir immer in Erinnerung bleiben. Ich möchte sie nicht missen. Und wenn ich einmal mehr Zeit habe, fahr ich die ganze Donau von der Mündung bis ins Delta :-) Mir fehlt noch der Chilia-Arm (der linke Mündungsarm der Donau).

NUR: die Damm-Pfad-Holper-Rumpel-Piste in der Slowakei und die lila Variante in Rumänien lasse ich aus!


IT'S A LONG LONG WAY ...