Meine Radreise im Westen Kanada / Tag 6 , 29.07.09

Posted by: Thomas1976

Meine Radreise im Westen Kanada / Tag 6 , 29.07.09 - 03/02/10 11:17 PM

Und nun geht es endlich weiter schmunzel


Tag 6 - Mittwoch, 29.07.2009

Strecke: Lilloet - Highway 99 zwischen Lillooet und Cache Creek - Hospital Lillooet
Tageskilometer: 20km (mit dem Fahrrad), 20km (im Krankenwagen)
Tageswanderkilometer: einige Meter im Rollstuhl im Krankenhaus in Lillooet
Höhenmeter: ca. 450Hm
Ø-Geschwindigkeit auf dem Fahrrad: 11km/h, im Krankenwagen sicherlich mehr
Wetter: in der Sonne fast 50°C, im Schatten auch (den gab es nämlich nicht an diesem Tag)

An diesem morgen war ich schon sehr früh wach, so gegen 5:30Uhr. Warum ich nicht mehr schlafen konnte lag zunächst an der unerträglichen Hitze im Zelt und zum zweiten kreisten ständig Hubschrauber um Lillooet herum. Der Grund waren wohl die Waldfeuer um Lillooet und Umgebung, wie schlimm diese noch werden sollten habe ich erst einige Tage später erfahren. Dazu komme ich aber noch später in meinem Reisebericht.

Obwohl ich schon so früh wach war, trödelte ich trotzdem sehr lange rum und war erst um ca. 8:30Uhr startklar. Zunächst fuhr ich mit dem Rad und dem kompletten Gepäck in den Ortskern von Lillooet um meine Lebensmittel- und Wasservorräte aufzustocken. Auf dem Weg nach Lillooet musste ich sofort eine höllische Steigung bewältigen und hatte nach 2km schon über 200 Höhenmeter auf dem Tacho. Warum ich mein Gepäck nicht auf dem Campground gelassen habe, weiß ich bis heute noch nicht. Als ich den Ortskern von Lillooet erreicht hatte, war ich schon richtig durchgeschwitzt. Die Sonne knallte heute gewaltig. Die Gegend um Lillooet ist bekannt für seine sehr heißen Sommer. Aber so extrem hatte ich es mir beim besten Willen nicht vorgestellt, der Asphalt kochte regelrecht bei dieser Hitze. Die durchschnittliche Temperatur in den Sommermonaten beträgt in Lillooet und Umgebung 38°C.

Lillooet ist ein einfacher und nicht gerade schöner Ort, es gibt in Lillooet eigentlich keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten. Viele Indianer leben noch in der Umgebung von Lillooet. Außer einem kleinen Supermarkt, einer Tankstelle, einer Schule, einem Gemeindehaus soll auch ein deutscher Bäcker in Lillooet sein Geschäft haben, allerdings habe ich diesen nicht gefunden. Er soll sein Geschäft aber auch ca. 2km außerhalb haben, doch bei der Hitze hatte ich einfach keine Lust dorthin zu radeln.

Im kleinen Supermarkt kaufte ich mir erst einmal Verpflegung für den heutigen Tag, so auch reichlich Cola und Wasser. Trotzdem kaufte ich mir nicht genügend Trinkvorräte, wie sich aber erst später herausstellte.

Nach meinem Einkauf machte ich mich dann auf den Weg in Richtung Cache Creek, meinem eigentlichen Etappenziel für heute. Da es bis nach Cache Creek nur etwa 80km sind, dachte ich mir dass ich diese eigentlich locker fahren könnte, doch die unerträgliche Hitze machte mir einen großen Strich durch die Rechnung.


Wüstenlandschaft um Lillooet

Schon die ersten Kilometer waren die absolute Hölle, die Sonne brannte regelrecht. Alle 2-3km machte ich Pause und trank ordentlich von meinen vorher eingekauften Getränken. Nach ca. 10km hatte ich schon über 2 Liter getrunken und ich hatte nur noch ca. 1 Liter in Reserve. Das könnte also heute knapp werden mit der Trinkversorgung. Ich rechnete damit, dass bis nach Cache Creek keine weitere Versorgungsmöglichkeiten mehr kommen werden. Auch ein vorankommen war heute irgendwie nicht möglich, die Beine waren schwer und die Sonne hatte nun gegen 10:30Uhr ungefähr 50°C erreicht, das Radfahren war an diesem Tag eine absolute Qual, der Spaßfaktor war deutlich unter 0%.

Für die nächsten 10km brauchte ich sagenhafte 1,5 Stunden, obwohl die Strecke keine nennenswerten Steigungen vorzuweisen hatte. Aber die Sonne knallte nun einmal höllisch auf mein Haupt. Außerdem kam noch dazu, dass die starken Waldbrände um Lillooet die Hitze regelrecht nach unten drückten, ich hatte dauernd den Geruch von Feuer in meiner Nase. Dazu kreisten ständig Hubschrauber um mich herum, diese versuchten das Feuer in den Griff zu bekommen. Doch leider verschlimmerte sich die Situation der Waldfeuer um Lillooet in den nächsten Tagen, der ganze Ort musste später komplett evakuiert werden.


Hubschraubereinsätze um Lillooet zur Bekämpfung der Waldfeuer

Nach ca. 20km erreichte ich dann einen kleinen Indianerreservat. Zu meiner Überraschung war in diesem Indianerreservat ein kleiner Kiosk. Diesen suchte ich sofort auf, um erstens eine Erfrischungspause zu machen und zweitens um nochmals meine Getränkevorräte aufzufüllen.
Nach einer halbstündigen Pause, wo ich einen eiskalten Liter Cola und ein kaltes Eis verdrückte, radelte ich weiter.

Doch leider bekam mir diese Pause nicht so recht. Vom stark klimatisierten Kiosk ging es wieder in die heftige Hitze. Nach etwa 500 Metern passierte dann das große Unglück. Mir wurde plötzlich schwarz vor Augen und ich fiel während der Fahrt einfach so vom Fahrrad. Nach ein paar Sekunden war ich wieder bei Bewusstsein, doch ich hatte tierische Schmerzen in der linken Schulter. Ich schrie regelrecht vor Schmerzen und zitterte am ganzen Leib. Gott sei Dank hielt sofort ein Auto an, eine Familie mit 2 Kindern stieg aus und leistete mit sofort Hilfe. Aus ihrem Auto holten sie einen Eisbeutel und legten mir diesen auf meine schmerzende Schulter. Der Mann rief auch umgehend einen Krankenwagen an.
Ich hatte große Schmerzen, zitterte und auf einmal war mir nicht mehr heiß, sondern sehr kalt. Mein kurzärmliges Forumstrikot war im Schulterbereich eingerissen, mein Fahrrad lag ca. 10 Meter von mir entfernt am Straßenrand.
Nach ca. 20 Minuten war der Krankenwagen da und sofort versorgten mich eine Ärztin und ein Arzt. Sie gaben mir zunächst einmal eine Spritze gegen meine Schmerzen, und untersuchten mich dann schon einmal gründlich auf den Weg in das Hospital in Lillooet. Mein Fahrrad wurde anstandslos im Krankenwagen mit transportiert. Das Fahrrad hatte übrigens durch den Sturz keine Schäden abbekommen, einzig der linke Bremshebel war leicht verbogen.

Im Lillooet District Hospital bin ich zunächst erst einmal in die Notaufnahme gekommen und sofort kümmerte sich ein sehr junger kanadischer Arzt um mich. Gleichzeitig kam auch die Managerin vom Hospital und wollte eine Sicherheit von mir haben bezüglich der Bezahlung von den Behandlungs- und Krankenhauskosten. Das ich den Krankentransport noch extra bezahlen musste, habe ich erst mehrere Monate später mitgeteilt bekommen.
Den jungen kanadischen Arzt habe ich sehr schlecht verstanden, er sprach ein für mich undeutliches Englisch. Dieses erklärte ich umgehend der Managerin. Nach einigen Minuten kam dann Maria, eine Österreicherin die mit ihrem Mann vor einigen Jahren nach Kanada ausgewandert ist, und nun im Hospital in Lillooet als Krankenschwester arbeitet. Ihr Mann, Karl-Heinz, ist im Krankenhaus als Arzt tätig, hatte aber zu diesem Zeitpunkt keinen Dienst.

Der junge Arzt behandelte mich weiter, mehrmals wurde ich geröntgt (insgesamt 3x) und es dauerte fast 5 Stunden bis er mir endlich eine Diagnose mitteilen konnte. Diese war für mich dann aber total niederschmetternd und für mich brach in diesem Moment eine Welt zusammen.
Angeblich hätte ich das sogenannte "Klaviertastenphänomen", eine Schultereckgelenksprengung, das äußere Schlüsselbeinende lässt sich herunterdrücken, federt aber sofort wieder zurück. Der Arzt gab mir somit deutlich zu verstehen, dass nun meine Radreise beendet wäre. Tja, das war es dann wohl, dachte ich mir in diesem Moment.

Die Maria aus Österreich merkte sofort meine Niedergeschlagenheit und machte mir das Angebot, dass ich zunächst bei ihnen unterkommen könnte. Normalerweise besorgt das Hospital in Kanada einem eine Unterkunft in einem Motel oder ähnliches, nur im äußersten Notfall bleibt man in Kanada auch über Nacht im Krankenhaus. Ich nahm allerdings das Angebot der Maria dankend an, da ich diesen Tag auch nicht alleine bleiben wollte. Außerdem war ich durch meine Schulterverletzung an diesem Tag doch sehr stark eingeschränkt. Ich habe noch eine Schlinge um meine Schulter bekommen und sollte diese nach Möglichkeit in den nächsten Tagen nicht bewegen und belasten. Außerdem gab mir der Arzt noch einige Schmerzmittel mit. Maria wartete auf ihren Mann, dem Karl-Heinz, und als dieser kam fuhren wir zu deren Haus, welches auf einem Hügel ca. 5km von Lillooet entfernt liegt.

Maria und Karl-Heinz machten an diesem Abend ein tolles Barbecue für mich. Außerdem schmiedeten wir gemeinsam Pläne, wie es nun mit mir in den nächsten Wochen weitergehen könnte und was ich nun in Kanada unternehmen könnte. Immerhin hatte ich noch 3 Wochen in Kanada zu verbringen. Nachdem mir der Arzt ja das Radfahren verboten hatte, musste nun ein neuer Plan ausgearbeitet werden. Die einzige Möglichkeit unserer Meinung war, dass ich mir einen Mietwagen ausleihe und ich mit diesem meine restliche Zeit in diesem weiten Land verbringe.
Karl-Heinz machte sich gleich über Internet schlau, welche Angebote es gibt. Wir fanden dann über Tiger Rental Cars einen Hyundai Accent als Kombi und mit Automatikgetriebe. Dieser Wagen schien optimal für mich zu sein, zumal ich in diesen auch das Rad und mein Gepäck transportieren könnte.

Karl-Heinz buchte dann den Wagen 14 Tage für mich, ein Fehler wie sich später herausstellte. Doch das konnte ich an diesem Abend noch nicht wissen. Den Wagen musste ich aus Kamloops abholen, die nächstgrößere Stadt mit ca. 100000 Einwohnern. Maria organisierte noch an diesem Abend einen Platz für mich am kommenden Freitagmorgen im Medical Bus von Lillooet nach Kamloops, einem kleinen Bus (9 Sitze) der 2x die Woche nach Kamloops fährt um kranke Menschen zu Behandlungen in die größere Klinik nach Kamloops zu transportieren.
Diese und auch die nächste Nacht konnte ich also bei Maria und Karl-Heinz verbringen. Noch heute bin ich den beiden für Ihre Hilfe sehr dankbar und wir sind im regelmäßigen Kontakt miteinander.

Das meine Verletzung im Nachhinein doch nicht so schlimm war wie angenommen und dass doch alles anders gekommen ist wie befürchtet, dieses konnte ich an dem Abend noch nicht ahnen.

Fortsetzung folgt...