Re: lautes Schaben an Felgenbremsen

Posted by: ohne Gasgriff

Re: lautes Schaben an Felgenbremsen - 04/23/17 12:55 PM

Am (zugegeben nur selten benutzten) Rennratt habe ich Shimano 105er Dual-Pivot-Zangen samt Originalbelägen und bin damit vollkommen zufrieden. Das Rad wird dabei durchaus auch auf Abwegen (Wald und Feld) benutzt und sieht meist aus wie ein Baustellenfahrzeug.

on topic: Zunächst mal zur Definition: Härte ist der Widerstand, den ein Werkstoff dem Eindringen eines anderen Körpers entgegensetzt. Harter Werkstoff ritzt weichen Werkstoff, niemals umgekehrt. Bevor also ein Bremsbelag die Felge ritzen könnte, müßte deren Härte ins Bodenlose abgesunken und ihre Temperatur folglich kurz vor dem Schmelzpunkt sein. Da hätten Reifen und Schlauch schon längst aufgegeben, der Bremsbelag ebenso. Daraus folgt, dass der Bremsbelag der Felge niemals ein Leid antun kann. Period.

Was da an der Felge kratzt, muß also härter sein als die Felge, also ein anderes Material, ein anderer Körper, z.B. ein irgendwo aufgelesenes Sandkorn. Wenn sich dies in den Belag einbettet, dann hat man den "Drehmeisel", der dann evtl. Späne abnimmt, die sich evtl. ihrerseits wieder in den Belag einbetten.

Es gilt also, dieses initiale Einbetten des Fremdkörpers zu vermeiden. Konstruktive Ansätze dazu bieten die Form und das Material des Bremsbelags. Bei den Koolstop-Belägen ist dazu die Einlaufkante in zwei Richtungen abgeschrägt, um gleich zur Begrüßung schon das Sandkorn seitlich und radial nach außen abzuschälen. Sie sind außerdem (wie die meisten V-Brake-Beläge) auf der Einlaufseite deutlich länger als auf der Auslaufseite, sodaß man mit minimaler Pfeilung auskommt. Etwas Pfeilung stellt sich jedoch durch Verschleiß wegen der Torsion der Bremsarme immer ein. Die Möglichkeit, dass sich direkt beim Zupacken ein Sandkorn im Bremsspalt befindet, besteht also weiterhin. Ein Abschälen kann erst bei betätigter Bremse stattfinden. Hier ist dann der Fahrer gefordert, der nach Möglichkeit die Bremse kurz nochmal öffnet, wenn er Kratzgeräusche hört. Am MTB legt man im Schlamm gewohnheitsmäßig die Beläge immer wieder mal kurz an, um die Felge sauber zu halten. Dennoch wird sich nie ganz vermeiden lassen, dass Schmutz zwischen Felge und Belag kommt. Der darf sich dann nicht im Belagmaterial verzahnen und festsetzen, sondern muß trotz Bremsdruck durch die Fuge rollen, bis er an der nächsten Profilnut im Belag wieder solch eine Schneide wie am Einlauf findet, die ihn radial nach außen befördert. Das scheint mir "das Geheimnis" eines guten Belagmaterials zu sein. Es muß, möglicherweise durch die thermische Beanspruchung, an der Oberfläche hart genug sein, um durch das Korn nicht eingeritzt zu werden und im Untergrund so nachgiebig, dass es diese elastische Einbeulung erlaubt.

Die vielgelobten Koolstop-Beläge scheinen mir genau das ziemlich gut zu können. Die von mir verwendeten Lachsfarbenen bremsen auch bei Nässe gut, scheitern aber bei Wolkenbrüchen und dann, wenn sich nasser Schnee zwischen den Speichen angesammelt hat, der pausenlos die Felge wässert. Außerdem fühlen sie sich am Handhebel genau so pampig an, wie wenn man sie in der Hand hält und mal probehalber den Daumennagel ins Material drückt. Das Problem am MTB ist dabei weniger, dass die Bremswirkung mit zunehmendem Druck nur allmählich steigt, sondern dass sie genau so allmählich wieder sinkt, nachdem man die Bremse geöffnet hat. Auf kniffligen Trails kann das gerne mal zwischen Überschlag und 'gerade nochmal gutgegangen' entscheiden. (Hysterese wäre der Fachausdruck dafür, falls man unbedingt seinen Gegenüber damit einschüchtern will. Überall sonst genügt der Begriff "Dosierbarkeit".)

Eine gänzlich andere Nummer sind dagegen die Beläge von Jagwire, von denen ich vor einiger Zeit schon mal berichtet habe. Die gehen viel rabiater zu Werk, wenn man die Bremse zuzieht und sind auch sofort wieder offen, wenn man den Hebel losläßt. Ich fahre sie seit ein paar Monaten am Alltagshobel und habe bis jetzt noch nix zu meckern. Für ein abschließendes Urteil ist es allerdings noch zu früh und Erfahrungen mit dem MTB stehen noch gänzlich aus. Wer jedoch für zwei Euro fuffzich mal den Versuch wagen möchte: Nur zu!