7.9. Stavanger-Jektevik, gefahrene Kilometer: 90Eigentlich sollte das heute ein stressfreier Tag werden. Zwar sind 100 km geplant, aber ohne Zeitdruck. Beim Frühstück, als ich mir die Unterkunfts-Bestätigung noch einmal angucke, seh ich dann allerdings das Kleingedruckte:
Anreise zwischen 18 und 20 Uhr.
Die 100 km sind von Haugesund aus gerechnet. Ich werd dort frühestens 12 Uhr sein. Weniger als 8 Stunden für 100 km. Für mich in dieser Landschaft nicht zu schaffen.
Es trifft sich gut, dass ich sowieso den Bus nehmen muss. Zwischen Stavanger und Haugesund ist mit dem Fahrrad praktisch nichts zu machen. Die Route über Nedstrand (Fähre kommt erst um 18 Uhr dort an) scheidet für mich aus. Netterweise fährt der Bus durch die Tunnel nicht nur bis Haugesund, sondern weiter bis Bergen. Mit vielen Halts zwischendurch. Ich erkläre Sveio zu meinem Zielort. Von dort aus könnt ich alle schaffen, was ich mir vorgenommen hab.
Zunächst muss ich aber erstmal den Kystbussen-Halt finden. Die Kystbussen-Seite, über Handy aufgerufen, verrät einen keinerlei genaue Haltestellenangaben. Kystbussen Stavanger, mit und mit ohne Komma eingegeben in Google Maps, lenkt einen zur Kystbussen-Zentrale in Bergen. Ich frag schliesslich die Tourist-Info am Fisketerminalen. Der Halt ist irgendwo am Bahnhof, muss genauer gucken. Als ich ankomme, 5 Minuten vor Abfahrt, sehe ich 2. Ich darf in den ersten, weil der mehr Platz hat.
Der erste Halt des Kystbussen ist fast direkt vor meinem Hotel. Nichts, absolut gar nichts weist darauf hin, dass er hier halten würde. Norweger wissen das wohl einfach so.
Wir fahren, mit einmal Fährunterbrechung, durch 3 kilometerlange Tunnel, und selbst wenn diese für Fahrradfaher freigegeben wären, würde ich sie mir nicht antun wollen. Der eine ist 5 km lang, und die Hälfte davon geht es megasteil bergab, und dann nur noch megasteil nach oben. Die anderen sind genauso, auch wenn der letzte davon einmal Kreisverkehr mit drin hat.

12.50 Uhr bin ich in Sveio. Absolut nichts, nicht mal ein Bus-Schild, weist darauf hin, dass hier was halten wird. Dennoch ist der Halt günstig. Ich muss nur geradeaus fahren, um zur Fähre zu kommen. Meine Hoffnung, es würde hier nur bergab gehen, war natürlich trügerisch: Hey, das hier ist Norwegen, es geht immer bergauf und bergab, immer. Einmal erwische ich eine geradezu perfekte Kuhle, die ich problemlos runterrasen könnte, um auf anderer Seite ohne weitere Kraftanstrengung hochzurollen. Das berühmet Ein-Auto-Phänomen zwingt mich in der Mitte dann aber doch zum Bremsen.
Egal, bis zur Fähre sind es nicht einmal 30 Minuten. Sie wartet schon, um gleich nach mir loszufahren. Der Kaffee auf der Fähre ist semi-umsonst. man kann 10 kr in ein Schälchen werfen, muss es aber nicht. Ich tu's trotzdem.
13.50 Uhr bin ich auf der anderen Seite, bei Langevag.
Die Vegetation auf der Insel Bømlo sieht so aus, als wäre man hier schon weiter nörldich. Das Bergauf zehrt zunächst mächtig an meinen Kräften, auch wenn es danach schön bergab geht.
Irgendwann wird die recht dünne Strasse aber zweispurig. Nagelneu gemacht. Bis fast vor Lykling habe ich das Gefühl, auf einer komplett leeren, nagelneuen Autobahn zu fahren. Alle halbe Stunde mal ein Auto. Die Anstiege sind jetzt auch vergleichsweise kurz und moderat, ich kann sie alle im 5ten Gang fahren.
Doch ich merke den Vortag, den Preikestolen, in meinen Knochen. Wenn ich gestern dachte, ich hätte keine Lust mehr, heute, nach der Busfahrt, hab ich sie noch weniger. Ich tröste mich damit, dass ich in Leirvik wieder den Bus nehmen werde.
Aber bis zu meinem Tagesziel muss ich es noch so schaffen. Fahrradfahrer-Ehre.
Nach Lykling komme ich an einen Abzweig. Es geht bergab, nach Rubbestadneset. Und steil bergauf den Finnåsvegen nach Håvik.
Die Entscheidung ist leicht. Ich nehm den Finnåsvegen. Das bisschen Verkehr stört mich nicht einmal. Ich weiss, dass die Strasse herrliche Ausblicke liefern wird. Nach dem Anstieg gehts auch schön nach unten, und am Wasser erwartet mich ein Campertraum: Rasen, Feuerstelle, Tisch-Bank-Kombi, Mülleimer. Das kleine Häuschen dort ist vielleicht sogar ein Klo.
Ich hab nicht nachgeguckt. Aber hier mach ich erst mal Pause.
Es geht danach moderat bergauf, um nach Havik abwärts zur reinsten Rennstrecke zu werden. Die Strasse ist gut genug, um nicht bremsen zu müssen. Dafür gehts danach zur 542 so steil hoch, dass ich passen muss. Ich steig ab und schiebe und fluche. Als ich die 542 erreiche, bin ich durchgeschwitzt wie noch nie zuvor, es tut regelrecht in den Augen weh.
Die 542 führt abwärts zu meinem Tagesziel: die Brücken bei Spyssøya. Weil ich zu sehr schwitze und es nicht gerade warm ist, behalte ich meine Jacke an. Was verhindert, dass ich mit meinem Fahrrad über 45 km/h komme. Diese Abfahrt ist der Traum eines jeden Rennradlers, selbt ein ungeübter, ängstlicher Fahrer wird auf diesen breiten Wegen steil abwärts versuchen, Maximalgeschwindigkeit herauszuholen.
Die Brücken verbrauchen dann wieder so viel Kraft bei mir, dass ich überlege, ob ich versuchen soll, von hier den Bus zu nehmen. Ich tröste mich damit, dass es bis Leirvik nur 6 km sind. Von dort will ich ganz sicher den Bus nehmen.
Doch dann wird die Strecke plötzlich eben, und als ich nachgucke, wann der Bus fährt, fällt mir auf dass er nur 10 min bis Jektevik fahren wird. Wofür er aber 10 Euro verlangt! Ich gucke noch einmal in Google Maps nach: es sind nur 15 km von Leirvik bis zu meinem Ziel. Das ist selbst unter widrigsten Umständen in 2 Stunden zu schaffen. Und ich hab noch 2 1/2.
Ist auch besser so. Ich hab eigentlich mit einer Angstfahrt durch einen der Tunnel gerechnet, die in Google Maps das Berechnen der Fahrradroute diese Küste entlang verhindern. Unnötig. Bevor es den Tunnel gab, gab es eine Strasse den Felsen entlang. Sie ist jetzt für Autos gesperrt, aber ich darf mit meinem Fahrrad da lang. Die aussichtsverhindernden Bäume verschwinden, ein traumhaftes Panorama tut sich mir auf, und als Sahnehäubchen fährt noch ein Kreuzfahrtsschiff durch den Fjord.
Der zweite Tunnel hat sogar eine Fahradspur.
Nur mit einem hab ich nicht gerechnet: Das Langenuen Camping ist im Grunde eher ein RyanCamping. Warum er das Cafe zugemacht habe, frag ich den Betreiber, der sich als Deutscher entpuppt, der das hier seit 11 Jahren betreibt. Es sei zuviel Aufwand gewesen. Hätte sich nicht gerechnet. Und zuviele hätten sich über die Preise beschwert. Er verstände das gar nicht. Wer sich hierher, nach Norwegen, verirrt, hat Geld. 50 Euro für so eine Hütte mögen nach viel klingen, aber nicht in Norwegen. Nur Bergen hat bessere Preise, wegen Überkapazität. Bedingt durch die Ölkrise.
Ich hätte vorher einkaufen können. Ein Anruf, und sie hätten den Schlüssel in den Briefkasten gepackt. Ich hab Glück, dass der Besitzer noch 2 Dosen Spaghetti mit Tomatensosse hat. Sie sind mein Abendbrot.
Fortsetzung folgt...