4.9. Aalborg-Hirtshals, gefahrene Kilometer: 65



Stell dir vor, du fährst durch Brandenburg, und hörst ständig Möwen kreischen. So ungefähr fühlt sich die Landschaft nördlich von Aalborg an. OK, ein paar Unterschiede gibts schon. So sehen die Felder z.B. geradezu rasenmäherhaft genau geschnitten aus, es scheint, als sei der Mähdrescher mit Lasertechnik ausgestattet, um auch ja genau in Reihe zu schneiden. Übrhaupt ist alles gerasenmähert, was geht, selbst die Weide für die Kühe. Ob etwas ein Feld oder ein Golfplatz ist, ist hier nicht wirklich genau zu erkennen.

Ansonsten bietet die Strecke keinerlei Aufregung. Es ist eine schnurgerade Strasse nahezu ohne Kurven, eine Route 66 a la Dänemark. Ich bin schon dankbar, dass es zur Abwechslung wenigstens ein paar leichte Steigungen gibt. Zu meinem Erstaunen ist in so einem kleinen Ort wie Bronderslev selbt heute am Sonntag der Supermarkt bis 21 Uhr offen.



Die Landschaft ist grösstenteils windräderfrei. Als ich dann doch welche entdecke, staun ich nicht schlecht: irr ich mich, oder sind diese Rotorenblätter einfach zu gross ? Diese hier stehen jedenfalls still. Später treffe ich welche, die sich drehen - und gekürzt sind.



In Hjørring mach ich Pause in einem Park, der ideal für Mountainbikes ist - und von jenen auch stark frequentiert wird. Fast jeder vorbeifahrende grüsst mich. Da ich massig Zeit hab, beschliesse ich, meinen Sattel zu wechseln. Ich liebe zwar meinen Brooks Flyer, und in Berlin ist er weiterhin für mich erste Wahl. Aber nach 45 Kilometern spüre ich ihn schon. Und ich vermisse etwas die souveräne Gemütlichkeit meines Selle Royal Drifters. Auch wenn ich kurz danach die Nachteile spüre: Mein Hintern wird schneller warm.



In Hirtshals riecht es nach gebratenen Fisch, und da ich ohnehin noch 4 stunden bis zur Abfahrt habe, genehmige ich mir ordentlich Fish & Chips. Gegen 16 Uhr checke ich ein und reihe mich hinter ein paar Motorrädern ein. Am Ende werden es knapp 16 Motorräder, alle aus Norwegen, überwiegen Harleys. Mein Fahrrad droht wegen Übergewicht umzufallen. Ich will den Ständer etwas höher stellen, doch nach einer krampfhafen Überprüfungsaktion ist es Gewissheit: an meinem völlig verimbussten Fahrrad ist die Schraube für den Ständer die einzige Kreuzschraube weit und breit. Und mein Taschenmesser hab ich zuhause gelassen. Da ich jetzt nicht 2 Stunden lang mein Fahrrad halten will, bleibt mir nur, meinen schweren Rucksack an die Pedale zu hängen, als Gegengewicht. Diese Konstruktion hält erstaunlicherweise recht gut.





Als die Fähre endlich kommt, fahren die Motorrad-Gang und ich im Konvoi als erstes aufs Deck. Wir sind auch beinahe die ersten, die wieder runter dürfen...



Fjord Line. Zuerst hab ich das Gefühl, es sei eine Fehlentscheidung, denn es sieht wie eine geschlossene Fähre aus - und die Fenster sind mächtig verdreckt. doch dann entdecke ich die Tür, die aufs offene Deck führt, direkt nach hinten. Die vom Motor hochgeschlagenen Wellen zusammen mit dem Motorenlärm sind eine geradezu hypnotische Mischung. Mich wunderts, dass die Biker nicht hier stehen, denn das hier ist Biker-Jazz par excellence. Als uns eine Color-Line-Fähre kreuzt, tut die mir fast ein bisschen leid. sie wird nie die Coolness meiner Fjord Cat erreichen.









Als wir gegen 20 Uhr die Küste erreichen und die ganzen kleinen Inseln vor Kristiansand im wolkenlosen Sonnenuntergang glänzen, weiss ich, dass das hier - die letzte Fjordline-Fähre dieses Jahr - genau die richtige Fähre war.


Fortsetzung folgt...