Gerne gestehe ich Dir zu, dass Du die Schweizer Gegebenheiten besser kennst, als ich. Trotzdem erklärt das m. E. nicht, dass die meisten Restaurant gähnend leer, bestenfalls fast leer waren. Auch in der Schweiz wird doch wohl eine gewisse Auslastung für den wirtschaftlichen Erfolg notwendig sein?
Eine gewisse Auslastung sollte vorhanden sein, das ist richtig. Und dass gerade in der Tourismusbranche über mangelnde Auslastung gejammert wird, ist auch richtig. Ich würde aber aus einer wenig-tägigen Momentaufnahme wie bei Dir nicht ganzjährige Unterauslastung schliessen, denn wie Du schon selbst vermutetest, kann es im Winter oder zu Ferienzeiten möglicherweise ganz anders aussehen. Entzieht sich aber meiner Kenntnis. Die meisten Restaurants und Kneipen (=Beizen) in meiner näheren Umgebung halten sich irgendwie, auch wenn von einem Beizensterben gesprochen wird. Das wiederum liegt wohl mit an sich ändernden Essgewohnheiten und Verschiebungen im sozialen Gefüge.
Ich kann auch nur noch Momentaufnahmen aus Kurzaufenthalten beisteuern. Mein Eindruck ist, dass das untere und das Mittelsegment wegbricht. Die feineren Essstuben sind eher voll, Hotels dito. Teils liegt das an Einkommensentwicklungen in der Schweiz selbst, weil die Preise einigen Inländern selbst zu teuer werden (man kann sich nichts mehr leisten), teils liegt es an fehlenden Gästen aus dem angrenzenden Ausland, die nicht so viel Geld haben (Grundtenor: Die Schweiz ist zu teuer, deswegen machen wir ein Bogen drumrum). Liegen die Löhne in vielen beschäftigungsintensiven Branchen zu hoch, bedeutet das für einen Gastwirt oft eine nicht mehr lohnende Tätigkeit. Man arbeitet lieber also in einem Betrieb als Lohnempfänger als selbst einen unrentablen Betrieb zu führen, weil die vergleichbaren Realpreise für die Dienstleistungen in Gastgewerbe dann keiner mehr zahlen möchte.
Für Reiche ist diese Angebots-Nachfrage-Kurve hingegen weniger elastisch - es spielt keine Rolle. Zuviel Ausrichtung auf die Superreichen, die dann wiederum aus dem Ausland kommen, ist aber schlecht für die Binnenentwicklung. Man platziert wegen zu hoher Preise dann die eigene Bevölkerung an den Rand (kennen wir auch aus Deutschland, z.B. Sylt, Konstanz, Baden-Baden?). Die Qualität des Essens ist in den unteren Bereichen teils sehr schwach, die Essensportionen im Vergleich zu den Nachbarländern meistens spartanisch. Hat man hingegen genug Geld, kann man zur Not auch nochmal nachbestellen. Sarkastischer gesagt braucht der Superreiche nur eine Garnele um satt zu werden, weil er sich ja nicht bewegt.

Einige meiner jüngsten Beobachtungen stammen wiederholt aus dem Jura - also Grenzland zu Frankreich und eher ein armer Kanton. Es war Feiertagswochenende (Pfingsten). Ich war auf einem sehr preiswerten Campingplatz - da waren sogar viele Franzosen, die selbst preiswerte Campings gewohnt sind (Grenze war nicht weit). In den Essstuben des Ortes war es aber überraschend leer. Wer nicht selbst verpflegte, hat dann wohl auch im billigen Camping-Bistro Pizza gegessen. Ich selbst habe im Ort gespeist - das Essen war leicht billiger als am nächsten Abend in Frankreich. Sowohl Essensqualität, Service als auch Ambiente waren in Frankreich aber deutlich besser. Da gebe ich eben lieber Geld aus als bei dürftiger Leistung in der Schweiz. Besser lief es offenbar in den Teestuben (bei uns: Café) im (klein)städtischen Bereich. Dort empfand ich das Preis-Leistungs-Verhältnis aber auch günstiger, zudem mit angenehmen Ambiente-Faktor auf modernem Standard.
Man muss dem Gast auch ein gutes Gefühl geben - das haben einige in der Schweiz verlernt (ein Prozess, der schon mindestens 2 Jahrzehnte anhält und gelegentlich auch diskutiert wird). Die professionelle Gastfreundschaft allein nur in den Spitzenhäusern des Landes zu finden, ist dauerhaft zu wenig. Bestätigt hat sich auch wieder der Eindruck, das viele Gastbetriebe (Restaurants wie Hotels) starke Investitionsstaus haben. In den Nachbarländern wurde in den letzten zwei Jahrzehnten wesentlich mehr modernisiert. Allein auf altmorbiden Charme zu setzen ist heute zu wenig - zumindest die Stühle sollten nicht den Eindruck erwecken, als dass sie vom Sperrmüll kommen. Man muss Modernisierung und alten Charme zu verbinden wissen.