Gute Frage die mich auch immer wieder beschäftigt, da ich etwas Schizophren mit meiner Begeisterung für sowohl gute Ausrüstung als auch für Menschen bin, die mit Badelatschen, Jeans, Plastikplane und Wolldecke irgendwo in der Wildnis unterwegs sind, wo ich mit dicken Wanderschuhen, Gorejacke, Macpac-Zelt und WesternMountaineeringEdelDaunenSchlafsack einige hundert/tausend Euro durch die Gegend trage.

Wenn ich darüber nachdenke bleibt unter Strich, daß der Abenteur-, Unternehmungs- und Entdeckungsgeist die entscheidenden Elemente für die Begeisterung, Freude und gute Erinnerung an Touren sind. Und das kann individuell sehr verschieden sein und ist unterm Strich unabhängig von der verwendeten Ausrüstung.
Das geht Hand in Hand mit der Fähigkeiten sich selbst und die Ausrüstung richtig einschätzen zu können, die Grenzen zu kennen und den Situationen entsprechend zu handeln. Dabei sind insbesondere Grenzgänge und die Reisen in unbekannte Gefilde - nicht nur geographisch - die Würze von allem; zumindest für mich zivilisationsgeschädigten Warmduscher.

Viele Sachen sind mittlerweile Normalität die manch einer total 'nehbergmäßig' findet. Das können kleine Dinge sein wie:
* einfach Wasser aus einem Bach trinken und dabei eigenverantwortlich abschätzen woher es kommt und wieviel Risiko das beinhaltet
* Der Wetterbericht sagt Regen/Sturm für das Wochenende voraus und schon kann man tolle Wetterstimmung genießen und den kleinen Voralpenhügel als Wildnis empfinden.
* Ob ich wohl den kleine gepunkteten Weg durchs Unterholz finde? Oder folge ich dem roten Gekleckse vom Touristeig.
* Auf dem Berg biwakieren und Sonnenaufgang/untergang genießen oder in der Hütte im Matratzenlager dem Schnarchen horchen.

Den letzten Punkt kann man auch gut heranziehen um eine andere Sicht zu betrachten, schließlich sind die Hüttenschläfer nicht alles Masochisten ;-) Die genießen den gemütlichen Hüttenabend mit ihrem Bier und freuen sich tagsüber nur einen kleinen Daypack auf den Schultern zu haben. All diese Punkte beeinflussen das Erlebnis viel stärker als die verwendete Ausrüstung.

Oder noch ein Fahrradbeispiel: Der eine genießt seine Freiheit und ein abenteuerliches Sommergewitter mit Rohloff, SON und Pensionsübernachtung auf dem Donauradweg, während ein anderer für sich den gleichen Abenteurfaktor bei seiner Islandtour mit 10Jahre altem AlivioMTB erfährt. Das individuelle Erlebnis zählt und da ist jeder sein eigener Maßstab.

Meiner Ansicht nach darf nie die Ausrüstung ein Hindernissgrund sein etwas nicht zu unternehmen. Wenn ich also keine Skandinavienradtour mache weil ich kein Hillberg habe oder nicht mehr nach Skandinavien fahren kann weil ich ein Hillberg habe (und pleite bin) dann stimmt an der Einstellung zur Ausrüstung etwas nicht.

Dazu hatte ich ein kleines Aha-Erlebnis. Eine Freundin ist für ein halbes Jahr mit dem Fahrrad durch Südamerika (Patagonien + Bolivien) gefahren. Unterwegs war sie mit einem 100 Euro Globetrottertunnel. Allein bei dem Gedanken haben sich mir Ausrüstungsfetischisten die Fußnägel hochgerollt. Wenn schon kein TNF, Hilleberg, Lowland für so eine Unternehmung dann doch mindestens ein Tatonka!
Sie hatte keinerlei Probleme, dafür aber noch genug Geld überhaupt zu fahren.

Das war jetzt zwar nicht alles sehr geradlinig, aber mal so ein paar Gedanken die mir durch den Kopf gewandert sind.

Beim nochmal durchlesen fällt mir gerade auf, daß ich recht wenig geschrieben habe wieso eine tolle Ausrüstung trotzdem gut und evtl. wichtig ist. Schreibe ich noch was dazu? Neee, die Finger sind schon müde und außerdem sind hier eh alle (ok die meisten) Equipmentjunkies, die genau wissen wieso man ohne MSR Dragonfly keinen Tee koch kann ;-)

Gruß,
onra