Will der Kunde wirklich im Möchtegernflugzeugmodus eiligst noch vor der Abfahrt ankommen und sich an den ultrakurzen Zeiten aufgeilen, oder glaubt die Bahn, dass das so ist. Meine These: mehr Zeit einplanen und ein grosser Teil der Verspätungen ist passè.
Der angestrebte "Flugzeugmodus" ist ja ursprüngliche weder eine Erwartung der Kunden noch ein eingebildetes Prestigeziel der Bahn. Es war und ist ein politisches Ziel, den Flugverkehr zu reduzieren. Und man glaubt, das nur erreichen zu können, indem man die Fahrzeiten mit dem Fliegen vergleichbar macht. Inlandsflüge zu verbieten oder zu verteuern kommt nicht in Frage. Dieses Ziel hätte man erreichen können, indem man die Zugfrequenz und die Zahl der Haltepunkte der Hochgeschwindigkeitsverbindungen daran orientiert. Also z.B. München-Stuttgart-Frankfurt ohne Zwischenhalt, wochentags zwischen 6 und 8 sowie 17 und 19 Uhr jede halbe Stunde, sonst nur alle zwei Stunden. Daneben ein Fernzugnetz im Stundentakt mit den entsprechenden Puffern. Das hätte aber wieder zum üblichen Neideffekt und einem Aufstand der Provinzfürsten der übersprungen Ortschaften ausgelöst. Also hat man eben wie fast immer eine demokratische Lösung gewählt, d.h. eine, die alle gleichermaßen unzufrieden macht.
Mein Beitrag zum allgemeinen Bahnjammern in diesem Faden: Letzte Woche habe ich innerhalb von zwei Tagen zwei Fälle von unangekündigtem Gleiswechsel erlebt, einmal RE an Provinzbahnhof, einmal ICE. Beides mal war der Wechsel erst erkennbar, als der Zug einfuhr. Der RE ist fahrplanmäßig abgefahren, so dass er nur von Fahrgästen erreicht werden konnte, die sehr gut zu Fuß sind, mit dem Fahrrad keine Chance. Der ICE stand fast eine Viertelstunde, so dass ihn vermutlich fast alle Fahrgäste erreichen konnten, trotz der wegen großer Hitze gesperrten Aufzüge. Dass der außerplanmäßig lange Aufenthalt ein Entgegenkommen der Bahn war, um den Bahnsteigwechsel zu ermöglichen, bezweifle ich stark.
Die Bahn hat neben technischen und organisatorischen Schwierigkeiten auch ein Problem mit der Kundenorientierung. Das kürzlich angekündigte Vorhaben, den Bahnhof Ulm im Januar für vier Wochen komplett zu sperren, ohne dafür auch nur den Ansatz eines Konzepts für den Ersatzverkehr vorzulegen, ist ein prominentes Beispiel dafür.